26. März 2024
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Die Paulskirchenverfassung gilt seit jeher als Initial für die Demokratisierung Deutschlands: Vor 175 Jahren verabschiedete mit der Nationalversammlung die erste frei gewählte deutsche Volksvertretung 1849 eine Verfassung, in der erstmals in Deutschland freiheitliche Grundrechte festgeschrieben wurden. Das Deutsche Historische Museum (DHM) wartet online mit einer interaktiven Möglichkeit zu umfangreichen Recherchen zur Arbeit der Nationalversammlung in der Paulskirche auf.

Die Folgen des Wiener Kongresses

Der Sieg in den napoleonischen Kriegen hatte in den deutschen Staaten die Hoffnung auf einen deutschen Nationalstaat und auf liberale Reformen entstehen lassen. Vor diesem Hintergrund war die 1815 auf dem Wiener Kongress beschlossene Neuordnung Europas mit der Restauration der alten Fürstenherrschaften und der Gründung des Deutschen Bundes als loser Staatenbund für viele Deutsche eine herbe Enttäuschung. Trotz staatlicher Unterdrückung liberaler und nationaler Gedanken entwickelte sich in den Staaten des Deutschen Bundes in den Folgejahren eine National-, Freiheits- und Demokratiebewegung. Deren grundlegende Forderungen waren ein deutscher Nationalstaat und eine Verfassung, die individuelle Freiheits- und Grundrechte sicherstellen sollte.

Revolution in Deutschland

Als im Februar 1848 der französische König durch den Protest von Studenten und Arbeitern gestürzt und Frankreich zur Republik wurde, sahen sich viele Deutsche dazu ermuntert, ihrem Unmut über die bestehenden Verhältnisse ebenfalls Ausdruck zu verleihen. In der Folge kam es in den Städten und auf dem Land zu Protesten, in Berlin brachen Unruhen aus. Daraufhin kam der preußische König Friedrich Wilhelm IV. den Protestierenden entgegen: Er versicherte, dass Preußen eine Verfassung erhalten und der Deutsche Bund zu einem Staat mit Parlament und eigenen Gerichten werden sollte. Auch in anderen deutschen Ländern zeigten sich die Fürsten nach den anhaltenden Protesten nun reformbereit.

Die erste deutsche Verfassung

Zur Sicherung dieser Zugeständnisse und zur Gründung eines deutschen Nationalstaats sollte von einer frei gewählten Nationalversammlung eine Verfassung erarbeitet werden. Wahlberechtigt waren jedoch nur Männer, die über ein bestimmtes Einkommen verfügten. Frauen waren grundsätzlich nicht wahlberechtigt und konnten sich auch nicht zur Wahl aufstellen lassen. Im Mai 1848 trafen in Frankfurt die gewählten Abgeordneten der verschiedenen deutschen Staaten zusammen. Da es noch keine Parteien nach heutigem Verständnis gab, vereinten sich Abgeordnete mit gemeinsamen Interessen zu sogenannten Fraktionen. Trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen verständigten sich die verschiedenen Fraktionen über die Grundrechte, die ein zentraler Bestandteil der ersten demokratischen Verfassung Deutschlands werden sollten. Im Entwurf der Verfassung waren unter anderem persönliche und politische Freiheitsrechte, Rechtsgleichheit, die Aufhebung der Standesvorrechte sowie Eigentumsrechte verbrieft.

Debatten und Dissens in der Nationalversammlung

Überdies debattierten die Mitglieder der Nationalversammlung über die Perspektive des deutschen Nationalstaats hinsichtlich der Staatsform und des Staatsgebietes. Während sich in der Frage der Staatsform eine Mehrheit für eine konstitutionelle Erbmonarchie aussprach, boten sich bezüglich des Staatsgebiets zwei Möglichkeiten: die kleindeutsche (ohne österreichische Gebiete) und die großdeutsche (mit österreichischen Gebieten) Lösung. Nach einem nicht zu lösenden Streit über die Frage, ob auch nichtdeutsche Regionen Österreichs zum neuen Nationalstaat gehören sollten, entschieden sich die Abgeordneten schließlich für die kleindeutsche Lösung. Hierbei sollten sämtliche Gebiete des Deutschen Bundes (mit Ausnahme des Kaisertums Österreich) in den neuen Staat integriert werden. Darüber hinaus wurde Preußen die Führungsrolle im neuen Staat zugesprochen. In diesem Sinn trug im April 1849 eine Gesandtschaft der Nationalversammlung dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone an. Er verweigerte sich jedoch dieser Würde und demnach seiner angedachten Stellung als Oberhaupt eines deutschen Nationalstaates. Dies lag auch an den mittlerweile veränderten Machverhältnissen.

Das Ende der Revolution

Sowohl in Berlin als auch in Wien hatten königs- bzw. kaisertreue Soldaten im gewaltsamen Kampf gegen die Revolutionäre die Macht zurückerobert. Der preußische König pochte auf sein Herrschaftsverständnis von Gottes Gnaden und lehnte auch aus diesem Grund die Krone aus den Händen der Bevölkerung ab. Preußen und Österreich riefen nun ihre Abgeordneten aus der Nationalversammlung zurück. Die Nationalversammlung in der Paulskirche löste sich auf. Die Revolution war gescheitert. Eine Rückkehr zu den vorrevolutionären Verhältnissen wurde eingeleitet und die Verfassung trat nie in Kraft.

Medienangebot des DHM zur Nationalversammlung in der Paulskirche 1848/1849

In der Mediathek des DHM können die Schüler und Schülerinnen die Nationalversammlung in der Paulskirche 1848 anhand von vier Kategorien durchleuchten. In den beiden Kategorien „Fraktionen und Abgeordnete“ sowie „Details und Debatten“ werden beim Anklicken der beiden thematischen Schwerpunkte die dazugehörigen Vertreter farblich auf einem zeitgenössischen Gemälde der Nationalversammlung hervorgehoben. Beim Anklicken öffnen sich auf der rechten Seite weiterführende Informationen. Überdies erhalten sie ausführliche Informationen über die politischen Ziele der Fraktionen und in einem Fragen-und-Antworten-Reiter weiterführende Auskünfte zur Nationalversammlung.

Einbettung im Unterricht

Thematischer Aufhänger: Wie repräsentativ war die Nationalversammlung?

Den Schülerinnen und Schülern bietet sich die Möglichkeit, die Biografien der Mitglieder der Nationalversammlung einzusehen. Eine mögliche Frage wäre hierbei, welche biografischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten es unter den Mitgliedern gab. Vor dem Hintergrund, dass nur Männer mit einem bestimmten Vermögen Mitglieder der Nationalversammlung werden durften, lässt sich auch aus deren Biografien deren gesellschaftliche Stellung ablesen. Hierbei ließe sich anschließend diskutieren, wie repräsentativ die Volksvertretung der Nationalversammlung in der Paulskirche war. Daran ließe sich auch ein gegenwartsbezogener Vergleich mit der Zusammensetzung des aktuellen Bundestages anschließen.

Thematischer Aufhänger: Frauen in der Nationalversammlung?

Frauen waren nicht wahlberechtigt und konnten auch keine Mitglieder der Nationalversammlung werden. Sie durften indes an den Sitzungen der Nationalversammlung als Besucherinnen teilnehmen. Die Schülerinnen und Schüler finden auf den Seiten des DHM dazu Informationen. Im Unterricht könnte das Thema mit Bezug auf die Geschlechtergeschichte behandelt werden. Dabei könnte auch diskutiert werden, wie demokratisch die Wahl der Nationalversammlung aus zeitgenössischer und aus heutiger Sicht war (Sachurteil und Werturteil). Weiterführend könnten die Schülerinnen und Schüler im Internet nach der Rolle der Frauen während der Revolution 1848 und in der Zeit danach recherchieren. Im Anschluss daran könnten sie – analog zu den Biografien der Mitglieder der Nationalversammlung des DHM – Kurzportraits über bedeutende Frauen und deren politische Betätigung seit 1848 erstellen und der Klasse präsentieren. Abschließend sollte zusammengetragen werden, warum die Gleichberechtigung der Frau unabdingbar für eine moderne Demokratie ist.

Thematischer Aufhänger: Fraktionen

Das DHM fasst das Zustandekommen und die politischen Ausrichtungen der jeweiligen Fraktionen in der Nationalversammlung übersichtlich zusammen. Im Unterricht könnte man hier auf die unterschiedlichen Ausrichtungen der Fraktionen eingehen. In Anbetracht, dass fast ausschließlich Vertreter des Bürgertums in der Nationalversammlung vertreten waren, ließe sich über den Vergleich ableiten, wie und ob die Meinungen im Parlament homogen waren. Denkbar wäre an dieser Stelle auch, die Entstehung der Parteien in Deutschland aus den Fraktionen der Nationalversammlung abzuleiten, sowie ein Vergleich mit den Programmen der Parteien des Bundestages.

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