2. April 2024
33

Denkmäler gibt es überall – auch wenn sie, wie der Schriftsteller Robert Musil meinte, unsichtbar sind. Meist führen erst öffentliche Debatten dazu, sich mit Denkmälern und ihrer Entstehungsgeschichte bewusst zu befassen. In jedem Fall bietet eine Auseinandersetzung mit ihnen viel Potenzial für den Geschichtsunterricht.

Etwas Theorie: Funktionen von Denkmälern

Für den Kunsthistoriker Peter Springer ist ein Denkmal „jedes Zeugnis der kulturellen Entwicklung, dem eine besondere künstlerische, historische und wissenschaftliche Bedeutung beigemessen und das dieser Bedeutung wegen des Gedenkens und der Erhaltung für würdig erachtet wird.“ (Springer 1994). Diese Definition verdeutlicht, dass die Erscheinungsformen von Denkmälern folglich sehr unterschiedlich sein können: Bauwerke (wie z. B. Burgen, Schlösser und Kirchen), Kunstwerke (wie z. B. Statuen) oder auch historische Orte (wie z. B. KZ-Gedenkstätten) können als Denkmal fungieren.

Ebenso vielfältig sind die Funktionen von Denkmälern. So bewegen sich Denkmäler auf drei Zeitebenen: Sie sollen in ihrer jeweiligen Entstehungszeit auch für die Zukunft an Personen oder Ereignisse erinnern, die dem Künstler bzw. der Künstlerin oder Auftraggeber wichtig waren. In ihnen ist damit zugleich eine Deutung der Vergangenheit enthalten, die es zu entschlüsseln gilt. Diese Deutung der Vergangenheit hat dann zugleich einen appellativen Charakter für Gegenwart und Zukunft.

Denkmäler können einen affirmativen, legitimierenden, traditionsstiftenden oder auch (selbst-)kritischen Charakter haben. In jedem Fall sind sie Ausdruck öffentlicher Geschichtskultur. In den meisten Fällen erinnern Denkmäler an positiv gedeutete Geschichte: Herausragende Personen der Geschichte („Heldenverehrung“) oder besondere positiv konnotierte Ereignisse sind dabei häufig vorherrschende Themen. Davon abweichend hat sich im 20. Jahrhundert eine besondere Form des Denkmals herausgebildet: Das Mahnmal, das an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert.

Digitale Denkmäler – ein neuer Typus

Darüber hinaus entwickelt sich im Zeitalter der Digitalisierung ein neuer Denkmaltyp: Digitale oder virtuelle Denkmäler erfüllen die Denkmalfunktionen im digitalen Raum und ermöglichen zugleich neue Formen des Erinnerns und der Partizipation. So entsteht zum Beispiel im Rahmen des digitalen Projekts #everynamecounts des Archivs Arolsen ein digitales Denkmal für die Opfer und Überlebenden des Nationalsozialismus, indem ihre Daten und Namen auf der Basis von gescannten Dokumenten digital erfasst werden. Die umfangreiche Dokumentensammlung des Arolsen Archivs wird so durch „Crowdsourcing“ erschlossen. Hier ergeben sich auch interessante Anknüpfungspunkte für den Geschichtsunterricht.

Potenziale für den Geschichtsunterricht

Aus den unterschiedlichen Funktionen und Eigenschaften von Denkmälern ergeben sich große Potenziale für den Geschichtsunterricht. So verdeutlichen Denkmäler als Manifestationen (vergangener) Geschichtskultur nicht nur den Konstruktcharakter von Geschichte, der zur Dekonstruktion einlädt. Sondern es ergeben sich eben auch handlungsorientierte Ansätze, wenn es um die Partizipation der Schülerinnen und Schüler geht.

Insbesondere auch die lokale Verankerung von Denkmälern knüpft an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler an. So bergen gerade lokale Denkmäler immer auch Verbindungen zwischen der „großen“ Geschichte im Unterricht und der Regional- und Lokalgeschichte und unterstützen die Lernenden bei der reflektierten Auseinandersetzung mit der (lokalen) Geschichtskultur.

Denkmäler sind darüber hinaus auch geschichtspolitischen Diskursen unterworfen, etwa wenn um ihre Angemessenheit gerungen wird, wie etwa der Sturz und die Beschmutzung von Kolonialdenkmälern im Rahmen der #blacklivesmatter-Bewegung oder die Diskussion um die Neugestaltung des Hamburger Bismarck-Denkmals eindrücklich zeigen. Hierdurch ergeben sich viele Möglichkeiten, diese Diskurse und die damit verbundenen Positionen im Unterricht zu thematisieren und den Schülerinnen und Schülern so die Möglichkeit zu geben, sich zu aktuellen geschichtskulturellen Diskursen zu äußern und zu positionieren.

Auch wenn die vollen Lehrpläne es Geschichtslehrkräften nicht leicht machen, das Thema im Unterricht aufzugreifen, lohnt es sich, Denkmäler an der einen oder anderen Stelle zu thematisieren. Dies kann z. B. am Ende einer Unterrichtsreihe sein, wenn die Sach- und Werturteilsbildung im Vordergrund steht (z. B. Stellungnahme zum Thema „Denkmalsturz“ im Rahmen einer Unterrichtsreihe zum Thema „Kolonialismus“).

Einbettung im Unterricht

Digitales Denkmal: #everynamecounts

Für die Schülerinnen und Schüler ist es eine spannende Erfahrung, an dem Projekt selbst teilzunehmen. Das Projekt sollte jedoch mit eher älteren Lerngruppen (9/10 und vor allem Oberstufe) durchgeführt werden.

In Anlehnung an den Praxis-Leitfaden der Arolsen Archives könnte eine Unterrichtseinheit (2 Schulstunden bei 45 Minuten) wie folgt aufgebaut sein:

Einstieg/Einführung

  • Mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Präsentation werden die Lernenden in das Thema eingeführt und üben gleichzeitig anhand eines Beispiels das Indizieren von Daten. Je nach Alter und Selbstständigkeit der Lerngruppe können die Schülerinnen und Schüler angeleitet oder selbstständig die Einführung absolvieren.

Eigenständige Partizipation bei #evereynamecounts

  • Die Schülerinnen und Schüler besuchen die Projektseite und beginnen mit der Arbeit an den Dokumenten. Zuvor sollte festgelegt werden, an welchem Teilprojekt gearbeitet werden soll.
  • Die Teams arbeiten dann selbstständig an den Dokumenten. Hierfür sollte eine Arbeitszeit von ca. 30–40 Minuten eingeplant werden.

Abschließende Diskussion und Reflexion

  • Diese Phase ist sehr wichtig. Zum einen sollte in der Gruppe über die gemachten Erfahrungen gesprochen werden: Was war leicht zu lesen, wo gab es Schwierigkeiten? usw.
  • Aber auch inhaltlich ist es sehr wichtig, mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen: Was ist euch aufgefallen? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den Verfolgten (Alter, Herkunft, Verfolgungskontext)?
  • Hierdurch wird den Schülerinnen und Schülern ausgehend vom Projekt die Dimension der nationalsozialistischen Verfolgung deutlich.
Danke!
33 Personen haben sich für diesen Beitrag bedankt.
Klicke aufs Herz und sag Danke.